Burnett, Frances Hodgson - Sara, die kleine Prinzessin by Frances Hodgson Burnett

Burnett, Frances Hodgson - Sara, die kleine Prinzessin by Frances Hodgson Burnett

Autor:Frances Hodgson Burnett [Burnett, Frances Hodgson]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: kinder


RamDass

Manchmal gab es einen schönen Sonnenuntergang. Vom Hof aus konnte man nur einen Teil davon zwischen den Schornsteinen auf den Dächern sehen. Vom Küchenfenster aus konnte man dagegen überhaupt nichts sehen, sondern ihn nur erahnen, wenn ein warmes Licht auf die Häuserwände fiel und die Luft rosa oder gelb aussah.

Es gab jedoch einen Platz, von dem aus man den Abendhimmel in seiner vollen Schönheit beobachten konnte: die rötlichen oder goldenen Wolkengebilde im Westen, die lilafarbenen, die einen strahlendhellen Saum hatten, oder die kleinen, rosa getönten Schäfchenwolken, die wie rosafarbene Taubenschwärme das Blau des Himmels durchstreiften.

Dieser Platz, an dem man gleichzeitig das Gefühl hatte, von klarer, reiner Luft umgeben zu sein, war das Dachkammerfenster. Wenn der Hof plötzlich in hellem Licht erstrahlte und wundervoll aussah, trotz der rußbedeckten Bäume und Geländer, dann wußte Sara, daß am Himmel etwas in Bewegung war. Und immer, wenn es ihr möglich war, die Küche zu verlassen, stahl sie sich in solch einem Augenblick fort in ihre Kammer, kletterte auf den alten Tisch und reckte sich so weit es ging aus der Dachluke hinaus. Dann hatte sie jedesmal das Gefühl, als gehörten der ganze Himmel und die ganze Welt ihr allein.

Wenige Tage nach dem Einzug des Herrn aus Indien war wieder so ein wundervoller Sonnenuntergang. Die Nachmittagsarbeit in der Küche war getan, und Sara konnte unbemerkt nach oben in ihre Kammer gehen. Sie kletterte auf den Tisch und schaute hinaus. Es war ein herrlicher Augenblick. Flüssiges Gold strömte über den Himmel, so, als ob sich gleich eine gewaltige Flut über die Erde ergießen wollte. Ein tiefes, sattgelbes Licht erfüllte die Luft, und die

Vögel, die über die Häuser flogen, hoben sich fast schwarz dagegen ab.

»Was für ein bezaubernder Himmel«, sagte Sara leise zu sich selbst, »Es macht mir fast angst. Es ist so, als ob etwas Merkwürdiges geschehen wird. So geht es mir immer, wenn ein Sonnenuntergang besonders schön ist.«

Plötzlich hörte sie ein Geräusch in ihrer Nähe. Es war ein merkwürdiges Geräusch, wie ein quiekendes Schwatzen. Es kam vom Dachfenster des Nachbarhauses. Irgend jemand wollte sich dort ebenfalls den Sonnenuntergang ansehen. Ein Kopf und ein Oberkörper tauchten aus der Fensteröffnung auf, aber es waren nicht der Kopf und der Oberkörper eines kleinen Mädchens oder einer Dienstmagd. Es war die malerische, weißgekleidete Gestalt eines Inders, mit dunkler Haut, leuchtenden Augen und einem weißen Turban auf dem Kopf. Das Geräusch, das sie gehört hatte, stammte von einem Äffchen, das der Mann liebevoll im Arm hielt, und das sich schwatzend an seine Brust schmiegte.

Als Sarah hinsah, blickte er zurück. Ihr erster Gedanke war, daß seine dunklen Augen Traurigkeit und Heimweh ausdrückten. Sie war überzeugt, daß er heraufgekommen war, um die Sonne zu sehen, die er in England so selten zu Gesicht bekam und nach der er sich nun sehnte.

Einen Augenblick sah sie ihn interessiert an und lächelte. Sie hatte selbst erfahren, wie gut ein Lächeln tun konnte, auch wenn es von einem Fremden kam.

Er schien sich über ihr Lächeln zu freuen, denn sein Gesichtsausdruck änderte sich. Er lächelte zurück, und seine weißen Zähne blitzten auf, als sei in seinem dunklen Gesicht ein Licht entfacht worden.



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